8. Impuls zur Ausstellung „ohne berechnung“ in der Überwasserkirche

Welch ein Skandal!

Das gibt jetzt keine Lyrik. Hier ist Prosa angesagt. Kaum war die Ausstellung aufgebaut, machte das Wort vom Skandal die Runde. Was für Bilder von Susanne von Bülow, die einzigen Werke, die nicht spezifisch für diese Ausstellung gestaltet wurden.

Eine Frau, nackt. Das Quadrat, das kennzeichnend ist für die Ausstellung, ist hier ganz schwarz. „Schwarzes Quadrat“ auch der Titel. Das Quadrat an bezeichnender Stelle. Verhüllend. Aber Christo und Jeanne-Claude, die Verhüllungskünstler, haben uns beigebracht, dass man Verhülltes besser sieht. Der Fokus wird gelenkt, die Phantasie geführt. Ein Skandalbild. Ein Missbrauchsbild für mich. Der Sakristan der Kirche mag mir noch so oft erklären, dass es da hänge, weil dort einer der Nägel der Kirche sei und man keine neuen Nägel in die Wände schlagen dürfe. Ich glaube es doch nicht. Das hängt nicht zufällig an der 10. Station des Kreuzwegs, die da lautet „Jesus wird seiner Kleider beraubt“. Im alten Kreuzwegbild wird schamhaft verhüllt, was da damals schamlos geschah. Sexueller Missbrauch ist keine Erfindung der Neuzeit. Es ist eine Menschheitswunde. Es bleibt eine Menschheitswunde. Jesus kennt auch das, aus eigenem Erleben.

Und dann kommt das zweite Bild hinzu, offenbar im gleichen Stil, nicht so weit weg aufgehängt. Wieder eine nackte Frau. Sie entsteigt einer Strumpfhose. Freiwillig – oder wird sie eher wie eine Puppe aus einer Strumpfhose herausgeholt? Verstörend. Und das direkt am Tabernakel. Skandalös. Nacktheit und Missbrauch direkt am Allerheiligsten. Genau. Es ist skandalös, dass Missbrauch genau da geschehen ist, am Allerheiligsten, mitten in der Kirche. Nein, ich finde das Bild und seinen Platz nicht schön. Aber ich finde es höchst passend. Mahnend. Verstörend. Genauso muss es sein. Missbrauch muss verstören. Besser offen machen als weiter vertuschen.

Hier könnte ich aufhören. Und doch muss ich noch eine Kurve drehen. Denn an diesem Bild am Tabernakel liegt eine Erklärung. Es handelt sich im Ursprung um eine alte Miniatur aus einer Handschrift. Die nackte Frau ist – wie so oft in der Kunst – die Seele. Hier verändert zur Strumpfhosen-Venus. Dann wäre es hier, am Ende des Kreuzwegs, ein Auferstehungsbild. Die Seele steigt auf. Vielleicht. Die Künstlerin mag es auch so gemeint haben. Ich komme da nicht mit. Und mir fällt auf, dass das Bild auf dem Erklär-Blatt ein klein wenig anders ist, die Strumpfhose ist belebter, bewegter. Das macht auf mich einen anderen Eindruck, einen freieren, freiwilligeren. Es ist oft nur ein kleiner Unterschied, der eine Welt von Unterschied macht. Freiwillige Nacktheit als Schönheit der Seele, erzwungene Nacktheit als traumatisierende Gewalt.

Für mich bleibt es gefühlt dabei: Ich finde das Bild und seinen Platz nicht schön. Aber ich finde es höchst passend. Missbrauch direkt am Allerheiligsten. Mahnend. Verstörend. Genauso muss es sein. Missbrauch muss verstören. Besser offen machen als weiter vertuschen. Und niemals vergessen, dass Jesus, der seiner Kleider beraubt wurde, auf Seiten der Betroffenen steht. Immer.

Sr. Katharina Kluitmann

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